Quickline Handball League • 19.01.2022
Der ehemalige Schweizer Junioren-Nationalspieler Tim Bornhauser beendet seine Spielerkarriere aus familiären und beruflichen Gründen im Alter von 27 Jahren. Dies gibt sein Verein, die HSG Konstanz, bekannt. Bornhauser lief bis zu seiner Hochzeit unter dem Namen Tim Jud auf.
Tim Bornhauser spielt heuer seine wohl beste Saison bei der HSG Konstanz; aus sportlicher Sicht gibt es keinerlei Veranlassung für ein vorzeitiges Karriere-Ende. Er ist Mister Zuverlässig, Kopf der Mannschaft und verlängerter Arm des Trainers in einer Person. Head Coach Jörg Lützelberger sagte einmal so schön, sein Spielmacher verteile die Bälle „wie am Schnürchen. Egal ob über fünf oder 25 Meter“ – die Offensivspieler können sich stets über perfekt getimte, präzise Zuspiele freuen. 35 Tore erzielte der spielintelligente Schweizer darüber hinaus selbst. Mindestens ebenso wichtig ist jedoch seine Rolle als Vorbild und Captain. Bornhauser kommuniziert viel, ist das Bindeglied zwischen Mannschaft und Management und einer, an dem man sich in Sachen Professionalität und Umgang miteinander ein Beispiel nehmen kann.
Für den jungen Familienvater steht der Berufseinstieg bevor - nach Ende dieser Spielsaison und dem Abschluss seines Masterstudiums in Business Innovations. „Ich möchte dann trotz Beruf noch etwas Zeit für meine Familie haben und am Wochenende zu Hause sein“, erklärt Bornhauser. Nach der Hochzeit hatte er den Namen seiner Frau angenommen.
„Dankbar für Umgang und Vertrauen“
Als Tim Jud war der Schweizer Auswahlspieler 2015 zur HSG Konstanz gekommen. Als „junger, kleiner Schweizer“, wie er sich selbst bezeichnet. Als junger Mann verliess er damals das Elternhaus; inzwischen hat er mit Frau und Kind sein eigenes Heim geschaffen. In Konstanz hat er sich zu einem gestandenen Führungsspieler und Leistungsträger entwickelt, ist aber vor allem als Persönlichkeit gereift. „Die Zeit bei der HSG ist etwas ganz Besonderes für mich. Ich werde sie bis Sommer geniessen und alles investieren, damit ich mich mit dem Erreichen unseres grossen Ziels verabschieden und dem Verein etwas zurückgeben kann“, so Bornhauser. Denn die letzten sechs Jahre sind eine echte Erfolgsgeschichte. „Ich konnte mich hier stets weiterentwickeln und es ist schön zu sehen, was wir gemeinsam bewirkt haben und wie der eigene Beitrag wertgeschätzt wird. Ich bin dankbar für den Umgang, den ich erlebe und das Vertrauen, das mir stets und auch von Daniel Eblen seit vielen Jahre entgegengebracht wurde.“ Tim Bornhausers Abschied bedeutet einen grossen Verlust für die HSG Konstanz, das macht auch André Melchert deutlich. Der Geschäftsführer erinnert sich: „Tim kam als junger Spieler zu uns, hat jedes Jahr grosse Schritte gemacht und Verantwortung übernommen. Er ist ein Führungsspieler auf und neben dem Spielfeld. Tim spielt aktuell eine Top-Saison.“ Gleichzeitig hat er grosses Verständnis für den Schritt seines Spielmachers. Der Trainingsumfang bei der HSG ist in der 3. Liga genauso hoch wie in der 2. Bundesliga, sollte der Aufstieg in den nächsten Jahren wieder gelingen, stünde gerade an den Wochenenden mit den weiten, zeitintensiven Auswärtsfahrten eine noch grössere zeitliche Belastung bevor. „Deshalb ist Tims Schritt auch richtig. Familie, Beruf und Handball auf diesem Niveau sind schwer zu schultern“, sagt der HSG-Chef.
„Schwere Entscheidung und langer Prozess“
Der Fokus des jungen Papas und Projektleiters beim Verein Vorsorge Schweiz richtet sich künftig auf andere Bereiche. Dennoch ist ihm die Entscheidung „sehr schwer“ gefallen. „Das war ein langer Prozess“, gesteht Bornhauser mit schwerem Herzen. Noch verfolgt der Mann mit der Nummer 24 grosse Ziele und gibt dafür alles. Die häuslichen Zusatz-Trainingseinheiten finden aktuell zusammen mit dem kleinen Nachwuchs statt. Im Sommer folgt dann der Schritt von Hundert auf Null – vom topfitten Schlüsselspieler hin zum Handball-Frührentner. Als erstes ist eine grosse Reise zusammen mit seiner Familie geplant. Anschliessend möchte er seine berufliche Zukunft forcieren und sich etwas aufbauen. Der leidenschaftliche Handballer lacht: „Ich werde sehen, wie das ohne Handball wird.“ Schliesslich stammt er aus einer absolut handballverrückten Familie. Sein Vater ist Geschäftsführer bei Pfadi Winterthur, sein Bruder Schweizer Nationalspieler, ebenso wie es seine Mutter war, und auch seine Frau Dominique kann auf eine langjährige Karriere in der höchsten Schweizer Liga verweisen. Der Abschied aus der Schänzle-Hölle und von vielen Freunden dürfte so hochemotional werden. Im vergangenen Sommer war Bornhauser nach dem dramatischen Saisonfinale in Tränen aufgelöst am Spielfeldrand gekauert. Der schmerzhafte Abstieg nach einer unsäglichen Corona-Chaossaison und der Abschied von seinem guten Freund Tom Wolf setzten ihm sichtlich zu. Auf der anderen Seite sind zwei Aufstiege, zwei Klassenerhalte und viele „unvergessliche Momente mit unseren tollen Fans und der Mannschaft in meinem Herzen“, erklärt er. Grosse Dankbarkeit ist das in ihm vorherrschende Gefühl. „Dass unsere Fans jedes Auswärtsspiel zu einem Heimspiel machen, uns immer Rückhalt und nach schweren Niederlagen Standing Ovations geben, uns aufbauen ist einfach jedes Mal Gänsehaut. Ich schätze den Umgang von Fans und Spielern sehr und verspüre grosse Freude, das mitzuerleben.“
Zukunft bei der HSG?
Einen klaren Plan, wie die letzten Monate bis Saisonende verlaufen sollen - wie er sich verabschieden möchte - gibt es nur in seinem Kopf. Der HSG für die nächsten Jahre etwas ermöglichen und dazu beitragen, nennt es der Spielgestalter. Kann sich Tim Bornhauser also in Zukunft eine andere Position bei der HSG vorstellen? „Ich kann das nicht ausschliessen“, verrät er mit einem verschmitzten Lächeln. „Ich werde in der Region und in Verbindung mit den Jungs bleiben und die Spiele verfolgen.“ In Konstanz hat er eine zweite Heimat gefunden.
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