«Mir ist wichtig, dass ich während dem Spiel nicht auffalle»

Handball Schweiz  •  02.08.2021

Schiedsrichter Benjamin Meyer, TV Stein

Vor zwei Jahren hat der Schweizerische Handball-Verband (SHV) die Ausbildung zum Handball-Schiedsrichter neu aufgestellt. Im März 2019 war Benjamin Meyer (26) einer der ersten Teilnehmer am neuen Einstiegskurs. Heute pfeift der ehemalige Goali als Einzel-SR für seinen Verein TV Stein.

Benjamin Meyer, du hast 2019 den neuen Grundkurs des SHV besucht, um Schiedsrichter zu werden – da warst du 24. Warum hat dich das Pfeifen interessiert?

Benjamin Meyer: Ich musste ein Jahr zuvor mit dem Handballspielen aufhören, weil ich Verletzungsprobleme in der Hüfte und im Knie hatte. Ich wollte aber weiter etwas für den Handball tun, und da kommen ja meist die Ämter als Trainer oder als Schiri in Frage. Juniorentrainer war ich bereits während mehreren Jahren meiner Aktivzeit, aber beruflich konnte ich das nicht mehr gewährleisten. Und halbe Sachen mache ich eben nicht gerne. Unser Verein hat zwar noch genügend Schiedsrichter, aber die werden auch nicht ewig auf der Platte stehen (lacht). Darum habe ich mich bei Guido Lämmler (Einsatzleiter NWS, Anm.) und beim SHV informiert und mich angemeldet.

Nach dem Grundkurs im März hast du die praktischen Module durchlaufen und im Dezember 2019 mit dem Regeltest abgeschlossen. Erzähl doch, wie es dir in dieser Ausbildungszeit ergangen ist.

Benjamin Meyer: Als Erstes habe ich Matches an einem U13-Turnier gepfiffen und dann recht schnell reguläre Spiele auf tieferem Niveau, zum Beispiel U14- und U15-Spiele. Es war immer ein Betreuer dabei, der mich beobachtet und mir Feedback gegeben hat. So konnte ich mich schnell verbessern. Bei der Bewertung ging es nicht um einzelne Entscheide, sondern um grundlegende Dinge, etwa ob das Handzeichen gut erkennbar war, wie du dich als Schiedsrichter bewegst und wann du wo genau hinschauen solltest – das hat mir sicher weitergeholfen. Nach und nach durfte ich dann «allein» zu den Matches, wovon nur einzelne beobachtet und bewertet wurden. Und schliesslich hat man mich zur Prüfung zugelassen.

Wie waren deine ersten Erfahrungen als offizieller Schiedsrichter?

Benjamin Meyer: Am Anfang pfeifst du natürlich sehr viele Juniorenspiele – es ist klar, dass du dich erst bewähren musst und als «Neuer» auch nicht direkt ins Kreuzfeuer geworfen werden sollst (schmunzelt). Nach und nach sind dann aber auch Spiele aus Aktiv-Ligen dabei gewesen, das war schon cool. Leider wurde dann alles abgesagt, als im Frühjahr 2020 die Meisterschaft abgebrochen werden musste. Diese Saison war ich eigentlich nur im Juniorenbereich im Einsatz.

Was sind deine Stärken, wenn du pfeifst?

Benjamin Meyer: Es hilft natürlich, dass ich so lange selbst Handball gespielt habe und das Spielverständnis mitbringe. Zum Beispiel kannst du nicht jedes Mal zählen, wieviele Schritte eine Spielerin oder ein Spieler macht – du musst intuitiv erkennen, dass hier ein Schritt zuviel war. Ich kann auch gut mit Drucksituationen umgehen, die in manchen Hallen herrschen. Das kann ich gut ausblenden. Für mich ist wichtig, dass ich während dem Spiel nicht auffalle, dann bin ich schon zufrieden. Und wenn etwas nicht richtig funktioniert hat oder ich nicht so gut gepfiffen habe – denn das passiert einem ja auch, wie den Spielern – dann versuche ich mich beim nächsten Mal zu verbessern.

Benjamin Meyer

Hast du schon Situationen erlebt, in denen du – verbal oder tätlich – angegriffen worden bist?

Benjamin Meyer: Nein, das ist mir noch nie passiert – ich wüsste auch von keinem anderen Schiedsrichterkollegen, der das erlebt hätte. Dass du mit einem Trainer nicht immer einer Meinung bist, das kommt natürlich schon mal vor. Ich habe aber auch kein Problem damit, dem Trainer dann zu sagen: «Hey, es ist jetzt halt so.» Und wenn der Entscheid falsch war – «Sorry.» Meist merken sie dann schnell, dass sie mit Reklamationen nicht weit kommen. Ansonsten haben wir auch andere Mittel, um die Trainer zu verwarnen. Aber dass mir jemand auf dem Weg aus der Halle oder so nachgeflucht hätte, das habe ich nicht erlebt. Ich weiss aber auch, dass ich in solch einer Situation vom SHV Support erhalten würde.

Beruflich bist du zurzeit in der Ausbildung zum Wirtschaftsprüfer. Bleibt da überhaupt Zeit, sich für den Handballsport zu engagieren?

Benjamin Meyer: Ich arbeite recht viel, das stimmt. Der Vorteil ist, dass ich mein Pensum als Schiedsrichter gut einteilen kann, ein bis zwei Match pro Wochenende liegen so gut drin. Bis jetzt konnte ich die Herausforderung meistern, und ich hoffe, dass es noch ein paar Jahre so funktioniert.

Du würdest auch gerne mit einem Partner pfeifen.

Benjamin Meyer: Ja, das würde mich tatsächlich reizen, persönlich traue ich es mir auch zu. Aber bis jetzt habe ich noch nicht den richtigen Partner gefunden, denn die Person sollte schon etwa in meinem Alter sein – und zurzeit spielen die meisten Kollegen selbst noch. Es ist nicht so einfach, denn man sollte ja auch als SR-Paar harmonieren. Aber ich lasse mir die Zeit und schaue, was sich ergibt.

Was würdest du jungen Schiedsrichtern mit auf den Weg geben?

Benjamin Meyer: Zum einen würde ich sagen: Es braucht uns. Es braucht dich, denn ohne Schiedsrichter kann man nicht spielen. Egal, was die Leute am Match sagen, ob sie dich mögen oder nicht – es braucht dich einfach dabei. Zum anderen bereitet es Freude, wenn du den Handballsport magst. Du übernimmst Verantwortung für das Spiel, du gibst dem Sport etwas zurück und du trägst auch dazu bei, das Spielgeschehen in der Schweiz weiterzuentwickeln. Auch wenn es vielleicht nur ein kleiner Beitrag ist (lacht). Und dann gibt es natürlich auch den finanziellen Zustupf, auch wenn das nicht der Hauptgrund sein sollte. Es ist schon cool, wenn man neben der Anerkennung auch ein wenig dazuverdient.

Zur Person

Benjamin Meyer, 26, pfeift seit 2019 für seinen Stammverein TV Stein. Zuvor stand er für sieben Saisons im Tor in der ersten Mannschaft (2. und 3. Liga) des Vereins und coachte das U11-Team. Beruflich ist Benjamin Meyer als Wirtschaftsprüfer in Zürich tätig. Neben seinem Engagement als Schiedsrichter betreibt er Kraft- und Ausdauersport, um sich fit zu halten.

Ran an die Pfeife!

Das Amt als Schiedsrichter interessiert dich? Du willst dich für deinen Sport und deinen Verein engagieren? Hier erfährst du alles über die verschiedenen Module der SR-Ausbildung.

Anmelden kannst du dich über untenstehenden Link, oder frag in deinem Verein beim SR-Verantwortlichen nach. Der SHV bedankt sich bereits jetzt für dein Interesse und Engagement!

Quelle: Carolin Thevenin

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